Grusel-Special: Horrormythen unserer Zeit
Geistergeschichten und Horrormythen sind eine Sache der Vergangenheit? Nicht so schnell! Erfahre hier, welche Horrormythen es in unserer Zeit gibt!
Genau wie Produzent Sam Raimi und Regisseur Gil Kenan mit "Poltergeist" einen Klassiker in unsere Zeit geholt haben, sind auch Legenden zu Geistern und Dämonen noch heute zu finden. Wir stellen einige Horrormythen vor, die heute noch für Gänsehaut sorgen.
Hier stellen wir euch einige besonders schaurige Legenden vor, die sich bis heute hartnäckig als Mythos gehalten haben.
The most haunted house in England
Borley, Essex, 1930
Seit fast 70 Jahren schreibt man dem Borley Rectory-Anwesen in England die merkwürdigsten Geschichten zu. Nachbarn des weitläufigen Geländes sprechen immer wieder von Lichterscheinungen rund um Borley Rectory sowie von nächtlichen Klopfgeräuschen. Der Erbauer des Landhauses, Reverend Henry Bull, starb unmittelbar nachdem er angeblich einen kopflosen Reiter gesehen hatte. Seine Töchter berichteten der Presse von einer seltsamen Erscheinung, welche das Boulevard später als „wandelnde Nonne“ beschreiben sollte. Auch Henry Bulls Sohn, der nach seinem Ableben das Anwesen übernommen hatte, fand 1928 einen mysteriösen Tod.
Trotz all dieser Omen zog es 1930 einen entfernten Verwandten der Bulls, Reverend Foyster, seine Frau und ihre gemeinsame Adoptivtochter in das Landhaus an der britischen Ostküste. In den kommenden fünf Jahren berichteten die Foysters und auch ihre Nachbarn übereinstimmend von seltsamen Kratz- und Klopfgeräuschen in den Wänden, Türklingeln und Steinwürfen gegen die Hauswand. Als dann ihre Tochter Adelaide in ihrem Zimmer eingeschlossen wurde, ohne dass ein Schlüssel existierte, wandte sich der Reverend an Harry Price, seines Zeichens Mitglied der Society of Psychical Research und damit beauftragt, paranormale Phänomene auf ihren Wahrheitsgehalt zu untersuchen. Das Ergebnis von Price‘ Untersuchungen verblüffte nicht nur den Forscher selbst, sondern auch die britische Presse. In Borley Rectory haust offensichtlich ein Poltergeist – the most haunted house in England war geboren.
Borley, Essex, 2015
Seit einem Brand im Jahre 1939 ist es relativ ruhig um Borley Rectory geworden. Nachfolgende Untersuchungen der Society of Psychical Research ergaben, dass Harry Price – mittlerweile verstorben – viele der Phänomene selbst konstruiert hatte. Für das seltsame Klopfen waren Ratten in den Wänden verantwortlich und auch die Tochter der Foysters hatte nicht immer die Wahrheit gesagt. Diese gab zu, für die Steinwürfe und das verschlossene Zimmer selbst verantwortlich gewesen zu sein. Auch wenn die Geschehnisse rund um das „most haunted house in England“ getrost der Welt der Urban Legends zugeordnet werden können, finden sich seit der Antike Berichte über angebliche Spukorte. Schon Plinius der Jüngere berichtete von einem Geisterhaus in Griechenland. Wenn es auch bis heute keinerlei wissenschaftlichen Beweis für die Existenz von Geistern gibt, fasziniert die Vorstellung eines Wesens zwischen den Welten der Lebenden und der Toten die Gesellschaft seit Jahrhunderten und bereitet den einen oder anderen kleinen Schauer. Unsere zweite Geschichte führt uns nach Kulmbach.
Das Mädchen in Weiß
Kulmbach, 1559
Albrecht der Schöne, ein Adliger aus dem Hause Hohenzollern, hatte sich in die Witwe Kunigunde von Orlamünde verguckt. Doch bevor er sie zur Frau nehmen wollte, sollten erst die „vier Augen, die im Weg stünden“, verschwinden. Gemeint waren mit dieser interpretationswürdigen Aussage seine Eltern. Verstanden hat Kunigunde aber, dass ihr baldiger Gatte von ihren Kindern sprach. Folglich stach sie ihren Kindern in den Kopf und tötete sie. Davon nicht sonderlich angetan, sagte sich Albrecht von Kunigunde los. Kunigunde gründete nach einer kleinen Irrfahrt und Läuterung in Rom das Kloster Himmelkorn im Einflussbereich der Hohenzollern. Nach ihrem Tod traten immer häufiger weiße Frauen auf der Plassenburg bei Kulmbach in Erscheinung und verkündeten dem Stamm der Hohenzollern kommende Todesfälle oder nahendes Unglück. Mit der Zeit begann die als Geist der verstorbenen Kunigunde identifizierte weiße Frau mit Ketten zu rasseln, Hofdamen zu erschrecken und Bedienstete zu erwürgen, was dazu führte, dass der Markgraf Georg Friedrich I. die Plassenburg verließ.
Kulmbach, 2015
Auf einem leicht ansteigenden Hügel, von einem traumhaften europäischen Laubwald umgeben, steht sie da: die Plassenburg bei Kulmbach. Beliebtes Ausflugsziel, noch beliebteres Fotomodell. Die Frau in Weiß wurde schon lange nicht mehr gesehen, trotz der lokalen Bemühungen, die Legende am Leben zu halten. Die Geschichte der Frau in Weiß von Hohenzollern ist zwar in zahlreichen Chroniken übereinstimmend geschildert, die Figur der Kunigunde weist jedoch kaum eine historische Grundlage auf. Generell finden sich in vielen adligen Häusern Europas Erzählungen von einer Frau in Weiß oder einer Art Poltergeist. Vor dem Hintergrund der Gegenreformation in der frühen Neuzeit avancierte die hauseigene Spukgeschichte zum Statussymbol für das Fürstenhaus von Welt. Während die Frau in Weiß in diesen neuzeitlichen Sagen oftmals friedlicher Natur ist, erhielt vor allem der Aspekt des Todesomens Einzug in moderne popkulturelle Geschichten rund um die Frau in Weiß. Der letzte Horrormythos führt uns ganz in die Nähe des Sitzes der Horrorklinik: nach Esslingen!
Die Legende vom Postmichel
Esslingen, 1491
Ein Mord in Esslingen! Das Opfer: Amandus Marchthaler. Der Täter: unbekannt.
Der aus reichem Hause stammende Amandus wurde ausgeraubt und für seine Reichtümer umgebracht. Als der Botenreiter Michel Banhard Jahre später am ehemaligen Tatort einen Ring des Verstorbenen fand und diesen dem zuständigen Amt übergeben wollte, war sein Schicksal besiegelt. Bevor Banhard den Ring überhaupt aushändigen konnte, wurde das Schmuckstück an seinem Finger identifiziert, der junge Bote als vermeintlicher Mörder Amandus Marchthalers festgenommen, gefoltert und enthauptet.
Als letzten Wunsch gestattete man dem wandelnden Toten jedoch noch, auf seinem Botenpferd, einem weißen Schimmel, auf den Richtplatz zu reiten und ein letztes Mal in sein Posthorn zu blasen. Als der Scharfrichter zum Streich ansetzte und Banhards Kopf zu Boden fiel, berichteten alle Anwesenden einvernehmlich von seltsamem Hufgetrappel und dem Erschallen eines Posthorns. Jedoch war niemand zu sehen. Nur einen Tag später, zur Michaelsnacht, floh der Neffe des ermordeten Amandus Marchthaler aus Esslingen.
Augenzeugenberichten zufolge soll ein kopfloser Reiter auf einem weißen Schimmel das Anwesen der Marchthalers heimgesucht und Gerechtigkeit für die Toten eingefordert haben. Nach Jahren des Exils kehrte Amandus Marchthalers Neffe zurück nach Esslingen. Auch die Erscheinung des kopflosen Reiters erinnerte jedes Jahr zur Michaelsnacht an das geschehene Unrecht.
Kurz vor seinem Tod gestand Amandus‘ Neffe schließlich, seinen Onkel für Geld und Macht umgebracht zu haben.
Esslingen, 2015
Wie kaum eine andere Stadt Deutschlands hat Esslingen ihren Mythos vom kopflosen Reiter, die Sage vom Postmichel kultiviert und tradiert. Neben dem Postmichelbrunnen erinnern regelmäßige Theaterstücke an die vermeintlichen Geschehnisse der St. Michaels-Nacht von 1491.
2009 wurde der Stoff verfilmt und ist neben Sleepy Hollow und weiteren Filmen ein cineastischer Beleg für den Einzug der Sage in die moderne Popkultur.
Gerade im europäischen Kulturraum ist die Legende vom kopflosen Reiter – oder Dullahan – weit verbreitet. In vielen Städten erzählt man sich von mysteriösen Erscheinungen. Richter, die unrechtmäßig urteilen, sollen vor dem Urteilsspruch von diesem berittenen Omen heimgesucht werden. In den meisten Fällen werden die Erscheinungen einem gefallen Soldaten, Kriegshelden oder, wie im Fall vom Postmichel aus Esslingen, einem unrechtmäßig Verurteilten zugesprochen.
So taucht der kopflose Reiter in den meisten Sagen immer dann auf, wenn große Ungerechtigkeit verübt wurde oder großes Unheil droht. Lediglich jene, die sich wirklich schuldig gemacht haben, sollten Angst vor dem kopflosen Reiter haben: Ihnen gilt die berittene Erscheinung als Zeichen des baldigen Todes.
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